Fussballfans beobachten die Polizei

Presse / Stadionwelt.de 29.08.2007

Nachrichten

Fansmedia Bremen schließt sich der Aktion an weiter...

Fan-Projekt Jena e.V. / FC Carl Zeiss Jena e.V. nehmen an der Aktion teil weiter...

Artikel junge Welt 27.12.07
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Artikel Ahlener Tageblatt 27.12.07
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Artikel Ahlener Zeitung 27.12.07
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Zwischenbilanz 2006 erschienen
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"Es gibt kaum eine effektive Kontrolle der Polizeieinsätze"

Stadionwelt sprach mit Lutz Boede von der Initiative "Fußballfans beobachten die Polizei". Im Interview erzählte der Fan des SV Babelsberg 03, weswegen die Begleitung durch Anwälte zum Auswärtsspiel auch heute noch notwendig ist.

Stadionwelt: Erzähl doch bitte kurz etwas zur Geschichte von "Fußballfans beobachten die Polizei"?

Boede: Als Fußballfan hat man ja seine Erfahrungen mit der Polizei. Oft gibt es völlig abwegige Gefahrenprognosen und unverhältnismäßige Polizeieinsätze. In Babelsberg existiert keine Hooliganszene. Da ist das Verständnis begrenzt, warum man bei der Anreise in der S-Bahn von oft etwas pubertär auftretenden Bundespolizisten geduzt, auf dem Sportplatz penetrant gefilmt und nach dem Spiel geschlossen zum Bahnhof gebracht wird, obwohl man lieber noch ein Bier trinken möchte. Wenn man das Verhalten der Polizei kritisiert, merkt man schnell, dass die Polizei selbst die Deutungshoheit über ihre Einsätze beansprucht und dass ihr diese auch zugestanden wird. Es gibt kaum eine effektive Kontrolle der Polizeieinsätze. Das wollen wir mit der Initiative "Fußballfans beobachten die Polizei" ändern. Deshalb haben sich verschiedene Gruppen zusammengesetzt und die Aktion konzipiert. Neben dem Fanprojekt Babelsberg und dem Filmstadt Inferno 99 war auch die Initiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei dabei, die seit einigen Jahren zum Thema Polizei und Grundrechte arbeitet. Herausgekommen ist eine Aktion, die der Definitionsallmacht der Polizei eine unabhängige Kontrolle entgegensetzt und vorrangig auf Öffentlichkeit setzt. Unabhängige Anwälte begleiten die Fans zu den Spielen und schreiben einen Bericht zum Polizeieinsatz, den wir auf unserer Homepage veröffentlichen. Eigentlich ist die Idee so einfach, dass sie jede Fanszene umsetzen kann.

Stadionwelt: Ist bei jedem Spiel oder nur bei so genannten Risikospielen ein Anwalt dabei?

Boede: Die Anwälte müssen natürlich bezahlt werden. Schon deshalb können wir nicht alle Polizeieinsätze observieren lassen. Die Auswahl kann aber absolut jedes Spiel treffen. Erfahrungsgemäß reagiert die Polizei bei wirklichen Risikospielen oft angemessener. Offenbar konzentriert sie sich dann notgedrungen auf die wirkliche Gefahrenabwehr. Dagegen kam es selbst bei Spielen ohne nennenswerte Fans der gegnerischen Mannschaft zu Schikanen und Übergriffen. Wenn es keine rivalisierenden Fangruppen gibt, verlagert sich der Konflikt schnell zu einer Auseinandersetzung Fans-Polizei. Besonders gefährdet sind Spiele, die durch polizeiliche Ausbildungs- oder Sondereinheiten begleitet werden. Da steht nicht Deeskalation und Kommunikation, sondern Sport ganz oben auf dem Stundenplan.

Stadionwelt: Sind die Anwälte Personen mit Fanbezug?

Boede: Die Anwälte sind nicht ausschließlich Personen mit Fanbezug. Aber es ist schon sinnvoll, wenn ein beobachtender Anwalt weiß wie es im Stadion aussieht.

Stadionwelt: Warum wird die Aktion "Fußballfans beobachten die Polizei" fortgesetzt? Was gab es an aktuellen Anlässen dazu?

Boede: In der Rückrunde der letzten Saison dümpelte der SV Babelsberg 03 in der Oberliga Nordost Nord herum. Da hatten wir es im Wesentlichen mit der Polizei in Mecklenburg, Brandenburg und Berlin zu tun. "Fußballfans beobachten die Polizei" ist dort inzwischen ein Begriff. Die Polizeieinsätze bei Spielen der Nulldreier sind deutlich zurückhaltender geworden. Offenbar ist der Bedarf an unseren Demonstrationen und Pressekonferenzen in verschlafenen Kleinstädten begrenzt und mancher Polizist überlegt sich, ob er Jugendliche herumschubsen sollte, wenn dafür eine Dienstaufsichtsbeschwerde droht. Das macht ja auch eine Menge Schreibarbeit, die nicht jedem liegt. Nach dem Aufstieg in die Regionalliga gab es gleich beim ersten Auswärtsspiel in Emden wieder aus nichtigstem Anlass einen völlig überzogenen Polizeieinsatz. Wir haben sofort beschlossen zu reagieren und die Aktion weiterzuführen. Dies haben wir in einem Rundbrief an die Vereine der Regionalliga Nord, die zuständigen Polizeidienststellen und die Presse vor Ort angekündigt. Beim Auswärtsspiel in Braunschweig wurde der Polizeieinsatz bereits in bewährter Weise anwaltlich beobachtet und vor einigen Tagen sind wir eigens nach Emden gefahren, um unsere Sicht des Polizeieinsatzes in einem Pressegespräch zu erläutern.

Stadionwelt: Was gibt es an möglichen Neuerungen bei "Fußballfans beobachten die Polizei"?

Boede: Soviel neues gibt es da gar nicht zu berichten: Im Wesentlichen hat sich die Aktion bewährt. Wir werden unsere Öffentlichkeitsarbeit noch ausbauen und freuen uns, dass es auch in anderen Städten großes Interesse an "Fußballfans beobachten die Polizei" gibt.

Stadionwelt: Wird es in der Regionalliga mehr Arbeit geben?

Boede: Das lässt sich noch gar nicht absehen. Einerseits sind wir in mehr Bundesländern unterwegs und für die Polizeieinsätze sind weitaus mehr Dienststellen verantwortlich. Das könnte Lernprozesse bei der Polizei eventuell erschweren. Auf der anderen Seite ist das Medieninteresse an höherklassigem Fußball natärlich weitaus größer. Davon kann auch unsere Aktion profitieren.

Stadionwelt: Wie sind bisherige Rückmeldungen ausgefallen?

Boede: Das Interesse an der Aktion ist bei den Fans sehr groß. Inzwischen haben wir die Anwälte und die erheblichen Reisekosten für unsere Pressetermine – zum Beispiel in Emden und Schönberg - allein aus Spendenaktionen und dem Verkauf unserer Soli-T-Shirts finanziert. Wir haben die Aktion schon auf Fanturnieren, Kongressen und Veranstaltungen vorgestellt. Es gibt in verschiedenen Orten Überlegungen, die Aktion selbst durchzuführen. In München wird die Initiative bereits vollständig durch Fans der Schickeria umgesetzt. Die ersten Anwaltsberichte sind schon auf unserer Homepage zu finden.

Stadionwelt: Was sonst gibt es zu erwähnen?

Boede: Wer die Aktion für die eigene Fanszene interessant findet oder sie mit dem Soli-Shirt unterstützen will, kann uns jederzeit gern über unsere Homepage ansprechen.
(Stadionwelt, 29.8.2007)

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