JENS TROMMER
Fußballanhänger des SV Babelsberg 03 fühlen sich diskriminiert. Wenn sie ihren Lieblingsverein bei Auswärtsspielen begleiten, beschleicht sie oft das Gefühl, die Polizei würde bereits auf sie warten. "Fußballfans werden zunehmend stigmatisiert und kriminalisiert", klagte Jacob Groth von der "Bewegung der Zornigen & Wütenden - Enragés" gestern bei einer Pressekonferenz im Rathaus Babelsberg.
Besonders schlimm sei es in Mecklenburg-Vorpommern, sagte Lutz Boede von der "Initiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei". Er erinnerte an die Auseinandersetzungen zwischen Babelsberger Fans und Ordnungshütern in Schönberg und Torgelow. In der öffentlichen Wahrnehmung habe dies dazu geführt, dass jugendliche Anhänger aus Potsdam als potenzielle Gewalttäter eingestuft werden.
"Oft werden bereits geringfügige Anlässe genutzt, um durchzugreifen", berichtete Sozialpädagoge Gregor Voehse vom Fanprojekt des SV Babelsberg 03 und sprach von einer "Unverhältnismäßigkeit der Mittel". So sei ein 15-jähriger Jugendlicher auf der Rückfahrt von einem Oberligaspiel des SVB auf einem Berliner S-Bahnhof von der Polizei aus einer 30 köpfigen Fangruppe herausgeholt worden, weil er nach Ansicht der Beamten "rumgeasselt habe". Ungefähr 40 Minuten lang musste die von 20 Polizisten begleitete Gruppe ausharren, ehe die Personalien des Herausgegriffenen von der Zentrale überprüft und er wegen des Spuckens auf den Bahnsteig mit einem Ordnungsgeld von 15 Euro bestraft wurde. Bei den Jugendlichen hätte dieses Vorgehen Gefühle wie "Ohnmacht" und "Aggressivität" ausgelöst. "Es wird ein negatives Gefühl gegenüber Polizeibeamten aufgebaut", erklärte Voehse.
"Die Polizei sei nötig, um gegen Hooligans oder andere gewaltbereite Personen einzuschreiten. Dies berechtigt sie jedoch nicht zu unverhältnismäßigen Einsätzen", ergänzte Boede. "Es geht darum, wie die Polizei ihren Spielraum nutzt." Nicht hinnehmbar seien die Ahndung geringfügiger Vergehen mit brachialer Gewalt und Festnahmen oder die willkürliche Erteilung von Auflagen, schlussfolgerte er.
Mit der Aktion "Fußballfans beobachten Polizei" wollen Boede, Groth und Voehse auf die gravierenden Probleme im Umfeld von Fußballspielen aufmerksam machen. Bei ausgewählten Oberligapartien des SV Babelsberg 03 sollen von ihnen bestellte Rechtsanwälte die Handlungen der Polizei beobachten, die Ergebnisse nach vorgegebenem Muster schriftlich auswerten und einen Tag nach dem Spiel öffentlich machen. "Wenn es ideal läuft, werden wir eine ganz ruhige Rückrunde haben", so Boede. Er berichtete zudem, dass fortan wieder Hartmut Streich als szenekundiger Beamter für die Potsdamer Fußballszene zuständig sei.
Beim SV Babelsberg 03 hat man auf die kritischen Töne der Anhänger ebenfalls reagiert. Auf Initiative von Präsident Rainer Speer führten Vereinsvertreter am 18. Januar ein Gespräch mit dem Potsdamer Polizeipräsidenten Bruno Küpper, dem Leiter des Schutzbereiches Potsdam, Ralf Marschall, und leitenden Beamten aus Schwerin und Rostock. "Wir werden vor dem nächsten Auswärtsspiel in Rostock intensiv in die Polizeiarbeit einbezogen", sagte gestern Geschäftsführer Ralf Hechel.