Von Stefan Otto
Lutz Boede ist Anhänger von Babelsberg 03 und Sprecher der Initiative "Fußballfans beobachten die Polizei"
Wenn Fußballfans die Polizei beobachten, wie reagieren die Einsatzkräfte darauf?
Das ist sehr unterschiedlich. Wir haben die Kampagne gemeinsam mit dem Babelsberger Fanprojekt in der letzten Oberligasaison ins Leben gerufen, als Reaktion auf überharte Polizeieinsätze. Mittlerweile hat sich die Polizei bei den Babelsberger Heimspielen daran gewöhnt. Da hat eine gewisse Entspannung eingesetzt, was sehr positiv ist.
Warum schauen Sie der Polizei auf die Finger?
Normalerweise führt die Polizei nicht nur den Einsatz durch, sondern hat auch noch die Deutungshoheit über ihr Handeln, selbst wenn sie in der Kritik steht. Im Regelfall ist nämlich kein unabhängiger Beobachter dabei. Selten ist die Presse zur rechten Zeit am rechten Ort, und die Fans leisten kaum Öffentlichkeitsarbeit, so daß die Presseabteilung der Polizei dann ihren Einsatz bewertet und die öffentliche Sichtweise herstellt. Das wollen wir durchbrechen.
Wie kontrollieren Sie die Polizeieinsätze?
Wir engagieren unabhängige Rechtsanwälte, die den Polizeieinsatz rund um das Spiel begleiten und einen Bericht schreiben – ob ein Einsatz angemessen ist oder nicht, ob die Polizei auf Deeskalation gesetzt hat oder nicht.
Beim Babelsberger Auswärtsspiel in Emden war das nicht der Fall…
In Emden gab es einen Polizeikessel, weil eine leere Mülltonne umgeworfen wurde. Das ist nicht einmal eine Ordnungswidrigkeit. Das Vorgehen der Polizei stand in keinem Verhältnis zur Tat. Ein paar Tage nach dem Spiel haben wir ein Pressegespräch in Emden mit lokalen Zeitungen gehabt. Darauf gab es sehr positive Reaktionen, insbesondere von der Leserschaft. Wir haben auch eine Dienstaufsichtsbeschwerde gestellt, obwohl uns daran nicht viel liegt, wenn einzelne Beamte bestraft werden. Sondern wir wollen erreichen, daß sich die Zustände ändern und sich das Verhältnis zwischen Polizei und Fans nachhaltig entspannt.
Innenminister wie Polizeipräsidenten beklagen hohe Kosten, die Einsätze bei Fußballspielen verursachen. Sollten die Polizeieinheiten reduziert werden?
Zunächst müßten sie anders eingesetzt werden. Ein Problem stellen vor allem die Sondereinheiten der Polizei dar, die auf Ausnahmefälle geschult sind. Deren Stärke ist das schnelle Eingreifen und nicht die Deeskalation. Das ist anders, wenn die Polizeiwache in Babelsberg den Einsatz führt. Der Leiter der Wache kennt den Stadtteil und hat mehr Fingerspitzengefühl für die Situation. Der kann die Lage besser einschätzen.
In der Kritik stehen auch die Ausbildungseinheiten der Polizei.
Das ist richtig. Oftmals dienen Fußballspiele als Testfeld für Ausbildungseinheiten. Da werden die Zuschauer schnell zum Versuchskaninchen oder Trainingspartner für unerfahrene Berufsanfänger der Polizei. Das ist nicht einzusehen. Nicht selten prägt das wenig kommunikative Auftreten solcher Einheiten dann das Bild, das jugendliche Fans von der Polizei haben.
Haben diese Beobachtungen auch die Anwälte bestätigt?
Die Berichte der Anwälte sind natürlich auf den Einzelfall bezogen und wesentlich differenzierter. Wir begleiten ihre Berichterstattung mit Öffentlichkeitsarbeit und schreiben beispielsweise die Vereine und die Polizeidienststellen bei den Babelsberger Auswärtsspielen an und weisen auf unsere Arbeit hin. Weil wir erreichen wollen, daß die Polizei sich zurücknimmt. Bisher haben wir das meistens auch erreicht. Die Anwaltsberichte bezeugen das. Seit die Aktion läuft, tritt die Polizei weitaus besonnener auf, weil sie weiß, daß sie beobachtet wird.
Macht das Babelsberger Modell Schule, beobachten auch die Fans anderer Clubs die Polizei?
Interesse für diese Aktion gibt es auch bei vielen anderen Vereinen. Die "Schickeria" in München etwa, also die Ultras des FC Bayern, lassen ihre Spiele mittlerweile auch von unabhängigen Anwälten zu Auswärtsspielen begleiten. Babelsberg macht das in Emden und der FC Bayern in Mailand.