Emden. Die Sache ist ihnen so wichtig, dass sie aus Potsdam noch einmal nach Emden kamen: Mitglieder des Fanprojektes des Fußball-Regionalligisten SV Babelsberg und der Initiative "Fußballfans beobachten Polizei" haben gestern zum Polizeieinsatz Stellung genommen, bei dem am 8. August in der Boltentorstraße mehrere Fans in Gewahrsam genommen worden waren.
Das Fazit der vier Potsdamer ist eindeutig: Sie werten den Polizeieinsatz als unangemessen, unnötig hart und in Teilen rechtswidrig. Ihre Reaktion: Die Beobachtung der Polizeieinsätze bei Babelsberger Auswärtsspielen durch Rechtsanwälte, im vergangenen Jahr unterbrochen, wird wieder aufgenommen.
Acht Auswärtsspiele des SV Babelsberg 03 wolle man von Juristen begleiten lassen, so die Potsdamer gestern. Welche Spiele das sein werden, behält die Initiative für sich: "Die Polizei soll ständig damit rechnen müssen, beobachtet zu werden."
Als Auslöser der Auseinandersetzung zwischen Polizei und Babelsberger Fans in Emden hatte die Polizei die Beleidigung von Beamten angegeben.
Dass es die gegeben hat, wollen Gregor Voehse, Rene Kulke, Tom Münzer und Lutz Boede gar nicht bestreiten. Eine Rechtfertigung für die massive Reaktion der Polizisten sehen sie darin jedoch nicht.
Besonders der Umgang der Beamten mit einem der Fans, der längere Zeit auf dem Boden liegen musste, empört die Potsdamer. Lutz Boede von der Initiative "Fußballfans beobachten Polizei": "Das war erniedrigend und schlichtweg rechtswidrig."
Tom Münzer, ein keiner Gruppierung angehörender Fan des SV Babelsberg, schilderte eigene Erfahrungen mit der Polizeiaktion, die in Fankreisen mittlerweile als Emder Kessel bekannt ist: "Ich lief mit meinem Fischbrötchen in der Hand von der Innenstadt zum Stadion. Die Auseinandersetzung war schon beendet, die Polizei hatte die Fans eingekreist. Als ich mich näherte, wurde ich von den Beamten einfach in den Kessel hineingezogen."
Fragen nach dem Warum seien "in Fäkalsprache" oder mit der Androhung von Gewalt beantwortet worden. Münzer: "Ich hatte mit der ganzen Sache absolut nichts zu tun und wurde von den Polizisten meiner Rechte beraubt."
Gregor Voehse, Sozialarbeiter im Fanprojekt des SV Babelsberg, zählte ebenfalls zu den Eingekreisten. Er beobachtete den Vorfall: "Alle, die zufällig in der Nähe waren, wurden automatisch mit hineingezogen." Babelsberger Fans seien geradezu entrechtet worden, "Emder Fans durften sich dagegen überall frei bewegen und uns beschimpfen."
Rene Kulke, ebenfalls Babelsberg-Fan, wertete Zahl und Verhalten der Beamten ebenfalls als unangemessen: "Wir haben keine Hooligans", so der 24-Jährige, der bei Auswärtsspielen "Einpeitscher" der Babelsberger Fans ist. Die Polizisten seien wie "Robocops" aufgetreten: "Ihr Verhalten war äußerst aggressiv."
Die Potsdamer wollen sich allerdings nicht darauf beschränken, ihre Kritik an dem Polizeieinsatz öffentlich zu machen. Einzelne Vorfälle sollen von Juristen untersucht werden. Anzeigen gegen Polizisten könnten die Folge sein.
Ausdrücklich betonten die Vertreter des Babelsberger Fan-Projektes gestern, dass auch sie die grundsätzliche Notwendigkeit von Polizeipräsenz bei Fußballspielen sehen. Allerdings müsse man von der Polizei professionelles und rechtmäßiges Verhalten erwarten. Diese Erwartung sei in Emden bei weitem nicht erfüllt worden.
Für die Zukunft setzen die Babelsberger nun wieder auf die Initiative "Fußballfans beobachten Polizei", zu deren Unterstützern sie zählen -- und mit der sie bereits gute Erfahrungen machte: In der Oberliga-Saison 2005/2006 hatten erstmals Anwälte im Auftrag der Initiative im Umfeld der Stadien und in den Stadien selbst aufmerksam das Verhalten von Polizei und Fans beobachtet. Die Juristen fertigten Berichte an, diese wurden veröffentlicht.
In der Folge habe sich das Verhalten der Polizei normalisiert, der Umgangston sei freundlicher geworden. Gregor Voehse: "Zeitweise kam in der Oberligazeit auf jeden unserer Fans ein Polizist -- ohne jeden vernünftigen Grund." Und diese Beamten seien häufig ausgesprochen aggressiv vorgegangen: "Wenn die Polizei erwartet, dass etwas passiert, passiert irgendwann auch was." Das Bewusstsein, beobachtet zu werden, habe zu mehr Zurückhaltung geführt.