Fussballfans beobachten die Polizei

Polizei im Wettbewerb / FC Rot-Weiß Erfurt vs. SV Babelsberg 03 28.08.2010 - Abschnitt Erfurt

Nachrichten

Fansmedia Bremen schließt sich der Aktion an weiter...

Fan-Projekt Jena e.V. / FC Carl Zeiss Jena e.V. nehmen an der Aktion teil weiter...

Artikel junge Welt 27.12.07
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Artikel Ahlener Tageblatt 27.12.07
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Artikel Ahlener Zeitung 27.12.07
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Zwischenbilanz 2006 erschienen
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Votum der Jury zum Wettbewerb "Wo demonstrieren Babelsbergs Fußballfans Heiligabend?"
für das 3.Ligaspiel FC Rot-Weiß Erfurt gegen SV Babelsberg 03

Juryvotum Erfurt 28.08.2010

Zugrunde gelegter Sachverhalt:

Am 28.8.2010 fuhren ca. 60 Babelsberger Fans um ca. 8.30 Uhr mit dem Zug gen Erfurt, während sich kurze Zeit später auch 2 Busse mit insgesamt ca. 80 Fans auf dem Weg begaben. Die Zugfahrer unter den Babelsberger Fans wurden von einer Bundespolizeieinheit begleitet, die zurückhaltend bis kaum wahrnehmbar auftrat. Der einzige Umstieg in Magdeburg verlief ohne besondere Vorkommnisse, die Babelsberger Fans konnten sich in angemessener Art und Weise auf dem Bahnhofsgelände bewegen, der Kauf von Speisen und Getränken wurde ermöglicht.

Gegen 12:50 Uhr kamen die Zugfahrer am Erfurter Bahnhof an. Die Potsdamer und Erfurter Szenekundigen Beamten (SKB) nahmen sofort Kontakt zu den Fanbetreuern auf und kommunizierte die Erwartungen der örtlichen Polizei. Außerdem wurden die Fanbetreuer zu einem Kurvengespräch eingeladen, das eine halbe Stunde vor Spielbeginn stattfinden sollte und an dem schließlich auch die Fanbetreuerin teilnahm.

Der Weg vom Bahnhof zum Steigerwaldstadion wurde von einer örtlichen Polizeieinheit begleitet. Die Polizeikräfte agierten weitestgehend zurückhaltend. Kurz vor Erreichen des Stadions traten einige Polizeibeamte auf den Kern der Ultras zu, da sie inmitten dieser einen Jugendlichen ausmachten, der eine Zigarette rauchte, obwohl er nach ihrem Eindruck ganz offensichtlich noch nicht das 18.Lebensjahr vollendet hatte. Nach Einschätzung der agierenden Beamten stieß dabei ein anderer Fan die Hand eines Polizisten zur Seite. Über den Potsdamer SKB wurden seine Personalien ermittelt und eine Anzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erstellt.

Am Einlass agierten die Ordner souverän und freundlich. Einschränkungen wie das Verbot des Zaunkletterns waren bereits im Vorfeld kommuniziert worden.

Das Spiel verlief ohne Vorkommnisse.

Nach dem Spiel sammelten sich die Zugfahrer unter den Babelsberger Fans gemäß des Wunsches der Polizei neben dem Parkhaus am Gästebereich. Nach einer kurzen Wartephase durften die Babelsberger Fans in Polizeibegleitung den Weg gen Erfurter Hauptbahnhof aufnehmen. Auf diesem Weg kam es zu ständigen Schubsereien und körperlichen Bedrängungen durch Polizeibeamte. Mehrmals wurden Fans gestoßen, weil sie nach Ansicht der Polizei zu langsam gingen oder aber den Fußweg verließen. Von vielen Fans wurde das Agieren der Polizei (BFE) als übergriffig und aggressiv empfunden. Kurz vor Erreichen des Hauptbahnhofs kam die Gruppe auf Wunsch der an der Spitze der Menge eingesetzten Beamten zum Stehen, während die Polizisten, die am hinteren Ende der Gruppe agierten, die Fans aufforderten sich weiter voran zu bewegen. Es kam zu weiteren Schubsereien. Gerade die am Ende des Zuges laufenden weiblichen Fans und die Fanbetreuerin, die versuchten, die Zurückgebliebenen zur Gruppe zu holen, waren dem massiven Vorantreiben der Beamten ausgesetzt.

Im oberen Teil des Bahnhofsgebäudes drückten die Beamten weiterhin die Babelsberger Fans voran. Auf verbale Kommunikation wurde dabei mit Ausnahme von Wörtern wie "„weiter!" und „"los!" weitestgehend verzichtet. Eine Gruppe von ca. 4 Beamten sprach wiederholt Beleidigungen gegenüber Fans aus. Ein Babelsberger Fan wurde aus einer unübersichtlichen Situation heraus aus der Gruppe der Nulldreier gezogen. Er wurde aus dem Sichtfeld der übrigen Fans entfernt. Ihm gegenüber wurde erläutert, er habe eine Beleidigung und ein Widerstandsdelikt begangen. Dem Fanbetreuer wurde nach mehrmaligem Nachfragen ermöglicht, die polizeiliche Maßnahme zu begleiten..

Nach Abschluss dieser Maßnahme wurde der Zug in Richtung Magdeburg bestiegen. In Artern stieg ein Erfurter Fan aus einem anderen Abteil des Zuges aus und zeigte in Richtung der Babelsberger Fans und der sie begleitenden Polizeieinheit den Hitlergruß. Auf den Hinweis einiger Fans filmte die Polizei den Vorfall und informierte die Kollegen vor Ort. Später wurden die Fanbetreuer davon in Kenntnis gesetzt, dass die Identität des Erfurter Fans geklärt werden konnte und eine Strafanzeige gestellt worden sei.

Bei einem internen Konflikt zwischen Babelsberger Fans agierte die uns begleitende Polizei auf Wunsch der Fans zurückhaltend. Beim Umstieg in Magdeburg wurde ein Fan, der nach eigenem Bekunden einen Streit schlichten wollte, von Polizeibeamten festgehalten. Gegen ihn wurde eine Strafanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzung erstellt.

Auf der Fahrt von Magdeburg nach Potsdam äußerten sich einige begleitenden Beamten sehr abwertend über Fans. Dabei fielen Worte wie „"Schwuchtel" und andere sexistische Beleidigungen. Vorbeilaufende Fans, welche die Beamten darauf aufmerksam machten, dass sie dies gehört hatten und sich so etwas verbeten würden, wurden mit der Androhung von Maßnahmen zu der Gruppe zurück geschickt.

Gegen 21.20 Uhr erreichten die Babelsberger Fans den Potsdamer Hauptbahnhof. Die dortigen Ereignisse werden in einem eigenen Juryvotum abgehandelt.

Abschnitt Potsdam - lesen

Wertung:

Insgesamt kann die Jury zwischen Null (beanstandungsfrei) bis 100 Punkte vergeben. In Städten, die mindestens 50 Punkte (Qualifikationswert) erhalten, besteht grundsätzlich Bedarf an einer weihnachtlichen Fandemonstration.

Nach umfassender Würdigung der Gesamtumstände erhält die Stadt Erfurt

57 Punkte.

Gründe:

Die Jury geht davon aus, dass Fans, die in der 3. Liga oft eine weite Reise auf sich nehmen, um ihre Mannschaft auswärts zu unterstützen, einen Anspruch haben, möglichst wenig von Polizei und Ordnungsdienst behelligt zu werden.

Diesem deeskalierenden Anspruch ist der Erfurter Ordnungsdienst vollumfänglich gerecht geworden.

Bezüglich des Polizeieinsatzes kann ein deutlicher Unterschied zwischen einem durchaus deeskalierenden Gesamtkonzept und einem leider in weiten Teilen eskalierenden und aggressiven Auftreten einzelner Polizeibeamter gemacht werden. Während von Seiten der Einsatzleitung frühzeitig Kontakt zum Fanprojekt aufgenommen und weithin ein offener Kommunikationsstil (u.a. durch die Durchführung des o.a. Kurvengesprächs) gepflegt wurde, agierten die Polizeibeamten vor Ort nicht selten dünnhäutig und unkommunikativ. Insbesondere die Beamten der BFE wahrten die gebotene körperliche Distanz zu den Fans nicht und verhielten sich respektlos.

Ob das gewalttätige Nötigen von Fangruppen zu einer größeren Gehgeschwindigkeit rechtlich zulässig ist, darf bezweifelt werden. In jedem Falle hatte das geschilderte Verhalten unmittelbar negativen Einfluss auf die Stimmung der Fans und muss ohne Zweifel als eskalierend bezeichnet werden. Freundlichkeit und Kommunikationsbereitschaft sind unserer Meinung nach wesentliche Grundpfeiler eines deeskalierenden und damit gelungenen Polizeieinsatzes. Diese grundsätzliche Freundlichkeit ließen nicht wenige der eingesetzten Beamten leider vermissen. Die Zahl der eingesetzten Beamten kann hingegen als angemessen bezeichnet werden.

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