Fussballfans beobachten die Polizei

Polizei im Wettbewerb / FC Hansa Rostock vs. SV Babelsberg 03 26.02.2011

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Fansmedia Bremen schließt sich der Aktion an weiter...

Fan-Projekt Jena e.V. / FC Carl Zeiss Jena e.V. nehmen an der Aktion teil weiter...

Artikel junge Welt 27.12.07
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Artikel Ahlener Tageblatt 27.12.07
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Artikel Ahlener Zeitung 27.12.07
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Zwischenbilanz 2006 erschienen
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Votum der Jury für das 3.Ligaspiel FC Hansa Rostock gegen SV Babelsberg 03

Juryvotum Rostock 26.02.2011

Zugrunde gelegter Sachverhalt:

Am 26.02.2011 begleiteten knapp 400 Fans des SV Babelsberg 03 ihre Mannschaft zum Auswärtsspiel bei Hansa Rostock. U.a. machten sich drei Busse mit insgesamt knapp 150 Personen sowie ca. 150 Zugfahrer auf den Weg an die Ostsee.

Die Zugfahrer wurden ab Potsdam HBF von einer Bundespolizeieinheit begleitet. Der Einsatzleiter stellte sich über die FKB der Bundespolizei bei den Fanbetreuern vor und artikulierte seine Vorstellungen bezüglich der anstehenden Fahrt. Er zeigte sich kommunikativ und interessiert.
Mit Unverständnis wurde die Wahl der Einheit und ihres Leiters von Seiten nicht weniger Nulldreier aufgenommen, da es sich bei diesem um einen ehemaligen Zivilbeamten handelte, mit dem einige der Fans in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht hatten.
Die Fahrt nach Berlin und der dortige Umstieg verliefen jedoch ohne besondere Ereignisse. Beim Einstieg in den Zug nach Rostock beharrte die eingesetzte Polizei auf ihrem vorher bereits kommunizierten Wunsch, alle Babelsberger Fans in einem Zugabteil fahren zu lassen. Als sich herausstellte, dass dies nur unter sehr beengten Bedingungen möglich war, gaben die Beamten eine Hälfte des Nebenabteils für die Nulldrei-Fans frei.
Kurz nach der Abfahrt aus dem Berliner Hauptbahnhof machte ein kleiner Trupp von Beamten einen „Kontrollgang“ durch das nur mit Babelsberger Fans besetzte Zugabteil. Es folgten einige Ansagen gegenüber den Fans. U.a. wurde lautes Singen und Klatschen untersagt, ferner ein niedrigschwelliges Eingreifen in Aussicht gestellt. Auf Bitte der Fans und der Fanbetreuer zogen sich die Beamten aber zunächst in den Eingangsbereich des Waggons zurück.
Während der Fahrt agierten die Polizeibeamten dann entgegen ihrer Ankündigungen überwiegend zurückhaltend.
Fans, die an den Polizeibeamten vorbei zur Abteiltoilette zu gehen gedachten, wurde der Weg zu dieser jedoch versperrt und ein erheblicher Umweg auferlegt.
Ca. 30 Minuten vor der Ankunft am Rostocker Hauptbahnhof traten Polizeibeamte auf einen Babelsberger Fan zu und setzten ihn davon in Kenntnis, dass gegen ihn eine Strafanzeige gefertigt werden sollte, da er den Beamten den Mittelfinger gezeigt hätte. Der betroffene Fan wurde aus dem Abteil geführt, eine Personalienfeststellung und Anzeigenerstellung vor Ort lehnten die Polizisten ab. Stattdessen wurde er von den übrigen Fans sondiert.
In Rostock wurde er auf die dortige Bahnhofswache verbracht. Erst nach dem Spiel stieß er wieder zu den übrigen Babelsberger Fans.
Derweil sammelten sich die Babelsberger Fans nach der Ankunft am Rostocker Hauptbahnhof auf dem Bahnhofsvorplatz. Für die ca. 150 Fans stand ein Bus bereit.
Aufgrund der beengten Situation im Bus verzichtete die Polizei darauf, Beamte im Bus mitfahren zu lassen, sondern eskortierte den Bus lediglich mit ihren Fahrzeugen.

Gegen 13.30 Uhr erreichten die Zugfahrer unter den Nulldreiern den Vorplatz des Gästebereich des Ostseestadions, an dem die Babelsberger Fanbusse schon kurz zuvor angekommen waren.

Die Einlasssituation stellte sich für nicht wenige Fans als unbefriedigend dar.
Neben einem Mangel an ermäßigten Eintrittskarten störten sich viele Fans an den als übertrieben empfundenen Kontrollen. Einige Fans wurden auch im Genitalbereich abgetastet, die Kontrolle von Geldbörsen war die Regel. Anders als im Vorfeld des Spiels mitgeteilt durften die von den Fans mitgeführten Trommeln und Megaphone nur gegen Abgabe von Personalien im Stadion eingesetzt werden. Eine Fahne mit Totenkopfsymbol wurde vom Ordnungsdienst aussortiert, da diese eine Nähe zu St.Pauli suggeriere und „St.Pauli ist bei uns verboten!“.
Während der Ordnungsdienst teilweise sehr unfreundlich agierte, fühlte sich der einzige Rollstuhlfahrer unter den Babelsberger Fans äußerst vortrefflich behandelt. Er wurde im Spielverlauf betreut und zeigte sich von diesem Service und der Freundlichkeit der hier agierenden Personen äußerst erfreut.

Die übrigen Babelsberger Fans verfolgten das Spiel derweil aus dem Gästeblock. Bis zur Mitte der zweiten Halbzeit gab es keine besonderen Vorkommnisse.
Ein Ärgernis stellte für die Babelsberger Fans bis dahin lediglich dar, dass entgegen der Ankündigungen und wohl auch im Gegensatz zum Heimbereich in der Gästekurve nur alkoholfreies Bier ausgeschenkt wurde.

In der Mitte der zweiten Halbzeit wurden im Babelsberger Block zwei so genannte „Breslauer“ gezündet, die ohne Komplikationen abbrannten.
Ca. 5 Minuten nach diesem Pyrotechnik-Einsatz betraten einige Ordner - mit Feuerlöschern bewaffnet - den Kern der Babelsberger Kurve, woraufhin es zu Schubsereien zwischen Fans und Ordnern kam. Schließlich brachte ein Ordner seinen Feuerlöscher zum Einsatz. Er sprühte den Inhalt des Feuerlöschers auf den Boden sowie auch in Richtung einiger Fans. Daraufhin nahmen die Schubsereien zwischen Ordnern und Fans zu. Die Ordner wurden zum Ausgang gedrängt.
Einige Fans klagten über Atemnot. Ein Fan, dem der Inhalt des Feuerlöschers direkt ins Gesicht gesprüht worden war, bekam dort einen Ausschlag.
Nachdem der Ordnungsdienst den Innenraum des Stadions verlassen hatte, betrat eine Polizeieinheit den Gästebereich und drängte sich rabiat durch die Fanmenge in den oberen Bereich der Kurve. Den Fanbetreuern wurde auf Nachfrage mitgeteilt, dass die Einheit den Rest des Spiels diesen Platz einnehmen würde, um das Abbrennen weiterer Pyrotechnik zu verhindern.
Zwei Babelsberger Fans wurden im Toilettenbereich des Stadions vom Ordnungsdienst festgehalten. Der hinzugerufene Sicherheitschef vom FC Hansa teilte ihnen mit, dass die beiden an Körperverletzungen gegen Ordnungspersonal beteiligt gewesen seien. Ihnen wurden die Eintrittskarten abgenommen und sie wurden des Stadions verwiesen. Da sie sich weigerten, sich gegenüber dem Sicherheitsbeauftragten auszuweisen, wurde seitens des Stadionpersonals die Polizei und seitens der Fans die Fanbetreuung hinzugerufen.
Nach Abschluss der Personalienfeststellungen verblieben die beiden Fans mit dem Fanbetreuer außerhalb des Stadions. Der Fanbetreuer wurde vom Polizeiführer in Kenntnis gesetzt, dass eine weitere Person gesucht werde, die einen Ordner geschlagen habe, und die Polizei deshalb die Ausgangssituation so gestalten werde, um die gesuchte Person überführen und stellen zu können.
Zeitgleich wurde das Spiel abgepfiffen und die Babelsberger Fans bewegten sich gen Ausgang. Die Polizei bildete ein Spalier und begann nach kurzer Zeit einzelne Fans festzuhalten und für die Durchführung von Personalienfeststellungen abzuführen. Die Nachfrage, warum nunmehr eine Vielzahl von Fans mit polizeilichen Maßnahmen bedacht wurden, beantwortete die Polizei weder den Fans noch den Fanbetreuern.
Ein weiblicher Babelsberg-Fan wurde im Rahmen dieser Ausgangssituation von einem Beamten sexuell belästigt, woraufhin sie sich an die Babelsberger Fanbetreuung wandte. Der betreffende Beamte weigerte sich sich auszuweisen, so dass die Fanbetreuer Kontakt zum Einsatzleiter aufnahmen. Dieser weigerte sich zunächst ebenso, die Dienstnummer oder den Namen des betreffenden Beamten zu übermitteln, zielte stattdessen darauf ab, die Personalien des weiblichen Fans zu erhalten und stellte dieser eine Strafanzeige wegen Körperverletzung in Aussicht, wenn sie selbst eine Anzeige gegen den Polizeibeamten aufnehmen lassen sollte. Die verschüchterte Frau stellte daraufhin vor Ort keine Anzeige. Nachdem die Fanbetreuer dem Einsatzleiter ihrerseits eine Strafanzeige wegen des Tatbestands der Strafvereitlung in Aussicht stellten, erhielten sie schließlich doch die Dienstnummer des betreffenden Beamten.
Nach Abschluss dieser polizeilichen Maßnahmen wurden die Zugfahrer unter den Babelsberger Fans zum Gelenkbus begleitet, der diese wieder zum Rostocker Hauptbahnhof bringen sollte. Als die Babelsberger diesen erreichten, wurden aus einem angrenzenden Waldstück einige Gegenstände geworfen sowie eine Leuchtspur in Richtung der Nulldreier abgefeuert. Die Polizeibeamten schwärmten aus, während die Babelsberger am Bus festgehalten wurden. Nach kurzer Zeit entspannte sich die Lage, die Wartezeit wurde mit Gesängen überbrückt und die hier eingesetzten Beamten zeigten sich gut gelaunt und äußerst freundlich.
Die anschließende Fahrt zum Bahnhof verlief ebenso wie der dortige Aufenthalt ohne besondere Vorkommnisse.
Lediglich die durch die Polizei eingeschränkten Möglichkeiten des Erwerbs von Lebensmitteln am Rostocker Hauptbahnhof wurden von den Fans als unbefriedigend empfunden.
Die Rückfahrt nach Potsdam verlief ereignislos. Die eingesetzten Beamten agierten durchweg zurückhaltend und überwiegend freundlich.
Gegen 22.00 h erreichten die Babelsberger Fans schließlich Potsdam.

Wertung:
Insgesamt kann die Jury Null (beanstandungsfrei) bis 100 Punkte vergeben.
Nach umfassender Würdigung der Gesamtumstände erhält die Stadt Rostock

69 Punkte.

Gründe:

Die Jury geht davon aus, dass Fans, die in der 3.Liga oft eine weite Reise auf sich nehmen, um ihre Mannschaft auswärts unterstützen, einen Anspruch haben, möglichst wenig von Polizei und Ordnungsdienst behelligt zu werden.

Diesem deeskalierenden Anspruch ist der Rostocker Ordnungsdienst kaum gerecht geworden.
Neben eines unfreundlichen Auftretens und schikanöser Einlasskontrollen war insbesondere der Einsatz im Babelsberger Block während des Spiels kritikwürdig.
Nicht nur, dass es für das Betreten des harten Kerns des Stimmungsblocks keinen Anlass gab, auch ist der Einsatz von Feuerlöschern in einer Menschenmenge in höchstem Maße abzulehnen. Insbesondere in den Fällen, in denen der Feuerlöscher als Waffe gegen Fans eingesetzt wurde und Nulldreier bewusst angesprüht wurden, dürfte der Tatbestand der Körperverletzung verwirklicht sein.

Mit dem Auftreten der Polizei machten die Babelsberger Fans an diesem Tag unterschiedliche Erfahrungen.
Während das Verhalten der Bundespolizei nur bedingt Anlass zu Klagen gab, ist das Verhalten der Rostocker Polizei zum Teil deutlich zu beanstanden.
Die Flut von Personalienfeststellungen nach dem Spiel war für die Babelsberger Fans nicht nachvollziehbar und wirkte wahllos und schikanös. Die hier erfolgten polizeilichen Maßnahmen waren schlecht kommuniziert. Das Auftreten der eingesetzten Beamten war unwürdig. Exemplarisch hierfür steht der o.g. Fall der sexuellen Nötigung inklusive des Versuchs selbige zu vertuschen.


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